jazzlive
Nr 137/03
ClarElectriC
Jazzatelier Ulrichsberg, 21.02.2004
Mutiges Programm, kühne Durchführung, spannend von der ersten bis zur letzten Minute….
So viel im Telegrammstil über einen Abend so genannter Neuer Musik im Jazzatelier Ulrichsberg. Ja, genau, das ist die, von der es heißt, sie klinge so abstoßend spröde und verfüge über kaum bis keinen Unterhaltungswert. Das Entkräften dieses so dummen wie hartnäckigen Vorurteils ist da oben im Dreiländereck zwischen Bayern, Böhmen und dem Mühlviertel ganz und gar gelungen.
Gespielt wurden drei taufrische Werke dreier junger, allesamt im Jazzatelier anwesenden Zeitgenossen, dazu gesellte sich ein Solostück des mittlerweile 70-jährigen Vorläufers der aktuellen Komponisten-Generation, Vinko Globokar. Interpretiert von ClarElectriC, dem Trio von Petra Stump, Heinz-Peter Linshalm (beide an Bassklarinetten, beide Jg. 1975!) und dem Elektroniker Alfred Reiter.
Bernhard Gander ließ sich vom US-Autor Paul Auster zu seinem Stück “Mr. Vertigo” inspirieren, einer wechselvollen Angelegenheit am Gebläse mit heftigen Attacken vom Tonband, das vielfältige Fein- und Grobheiten hübsch rau auspendelt.
Die spektakulärste Komposition steuerte der kubanisch-chinesische Wiener Jorge Sanchez-Chiong bei: “tropico transito” entlässt über weite Strecken den Klarinettenklang von dem mit dem Instrument gewohnheitsmäßig in Verbindung gebrachten und siedelt ihn stattdessen in der Nähe von überdrehten E-Gitarren an, was mit auffallend heftigem Applaus quittiert wird.
Christoph Herndler wiederum hat gleich drei seiner jüngeren Arbeiten zu einer einzigen verknüpft: a) das Video “Streifend, der Blick”, in dem die Kamera einer Hand 45 Minuten lang durch das Gaspoltshofener Scheinhaus folgt – ein Gebäude, für das sich gegenwärtig die örtliche Kulturszene stark macht, um den drohenden Abriss zu verhindern; b) das elektroakustische “Supermixen”; und c) “Im Schnitt, der Punkt” für zwei Klarinetten. Wie so oft bei Herndler, ist auch dieser Dreiteiler ein Spiel mit Varianten von Endlichkeit und Unendlichkeit der klanglichen Wahrnehmung. In sich logische Verkettungen machen das Stück fast beliebig erweiterbar, bis es kurz vor der Mündung in Endlos-Loops Halt macht. Am Schnittpunkt eben.
In Summe, wie gesagt, ein äußerst spannendes, facettenreiches Konzert, das nebenbei auch den Schluss nahelegt, dass die junge Komponistenszene durch ihre Furchtlosigkeit anderen modernen Strömungen gegenüber sich bald endgültig von elitären Ansprüchen verabschiedet und an deren Stelle egalitäre und emanzipative begrüßt haben wird. Auf gut Soziomusikalisch. (felix)