Vorarlberger Nachrichten

HARALD HRONEK

Bludenz (VN) “Die schönsten Momente für einen Komponisten sind dann, wenn Musiker selbst reflektieren”, sagt Christoph Herndler vor einem interessierten Auditorium in der Bludenzer Remise. 
Herndler setzt bei den Interpreten seiner Stücke auf das “Musikantische”. So gibt es bei seiner grafischen Notation bei jeder Wiedergabe quasi ein neues Hörerlebnis, weil die jeweiligen Musiker zum Werk unterschiedliche Zugänge finden. Mit Petra Stump und Heinz-Peter Linshalm sind zwei sensible Klarinettisten am Werk. Herndlers Auftragswerk ,,123” für die “Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik” (BTZM) entpupptsich als reizvoller “Perpetuum mobile”-Dialog zwischen den beiden Klarinetten und dem Komponisten am Klavier. 
Skurrile Bilder 
Herndler spannt die unterschiedlichsten Klangfassetten der Instrumente zwischen ein metrisch freies Fenster, das sich improvisatorisch wiederholend immer wieder öffnet und dabei im Zuhörer skurrile Bilder assoziiert. 
“Geschrei mit der Reinheit” nennt Silvia Colasanti zwei kanonisch geführte Klarinettenstimmen vom höchsten bis ins tiefste Klangregister, dynamisch vom Pianissimo bis zum schmerzenden Fortissimo. Diese Wellenbewegung wiederholt sich verlängert, verkürzt und endet im Gesang gehaltener Töne. Franz Kafkas Brief an Milena steht am Ende der Partitur: “Niemand singt so rein als die, welche in der tiefsten Hölle sind. Was wir für den Gesang der Engel halten, ist ihr Gesang”.
Harmonische Räume 
Mit fünf Miniaturen, eine davon als originelle Geräuschkulisse stellt sich der künstlerische Leiter der BTZM, Alexander Moosbrugger, vor. Als “Eine Miniatur mit fortlaufender Überschreibung eines anfänglichen Gedankens” beschreibt er die Uraufführung und setzt damit ein Pendant zur Miniatur von Reinhard Fuchs, der in “twined traces” zwei Spuren miteinander verwebt und mit zwei Bassklarinetten aphoristisch harmonische Räume durchschreitet.
VN 29.11.08