Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft
Mit anregender Musik die Sinne schärfen – das Tiroler Ensemble für neue Musik präsentierte Werke von Petra Stump-Linshalm, Ralph Schutti und Vivian Domenjoz
21.09.2020 | Silvia Thurner
Im Rahmen der zweiten Auflage des „Schallwende-Festivals“ im Feldkircher Saumarkt wurden Musikschaffende mit Vorarlbergbezug vor den Vorhang geholt. Im Konzertgeschehen des Landes waren Kompositionen von Petra Stump-Linshalm, Ralph Schutti und Vivian Domenjoz bisher gar nicht oder kaum zu hören. Auch das Tiroler Ensemble für neue Musik gastierte erstmals seit Langem in Vorarlberg. Nun wurden unter der Leitung von Venelin Filipov vier aussagekräftige Werke präsentiert und mit viel Gespür für die musikalischen Wesenszüge gedeutet. Als Solist an der Kontrabassklarinette begeisterte Heinz-Peter Linshalm.
Im vergangenen Jahr sind Wolfgang Lindner und Dietmar Kirchner angetreten, um ein Festival für neue Musik zu etablieren, das in der Nachfolge des legendären „Forum Feldkirch“ das Musikschaffen im Land in den Vordergrund rückt. Ihr Engagement steht auf drei Pfeilern: Komponistinnen und Komponisten der Region wird ein Podium geboten. Im Rahmen eines Familienkonzertes erleben auch Kinder eine ansprechende musikalische Unterhaltung. Ensembles aus anderen Bundesländern oder aus dem benachbarten Ausland ermöglichen Kooperationen mit Wiederaufführungen sowie den Austausch über die Landesgrenzen hinweg. All diese Vorhaben kamen beim zweiten Schallwende-Festival im Feldkircher Saumarkttheater überzeugend zur Geltung.
Um das Konzert den derzeitigen Auflagen entsprechend über die Bühne zu bringen, konnten aus drei Kompositionen lediglich Teile gespielt werden. Doch die Kürzungen schränkten den musikalischen Aussagegehalt nicht ein. Die Musikerinnen und Musiker des „Tiroler Ensembles für neue Musik“ wendeten sich den Werken konzentriert und energiegeladen zu und entfalteten deren Inhalte transparent und mit viel Kontakt zueinander.
Vielerlei Inspirationsquellen
Im Mittelpunkt standen Kompositionen von Petra Stump-Linshalm. Sie ist als international renommierte Klarinettistin vielen Musikinteressierten im Land bekannt. Seit einigen Jahren lebt sie ihre musikalische Kreativität auch als Komponistin aus. Die Sinnlichkeit edler Whiskysorten und deren unterschiedliche Charaktereigenschaften inspirierten sie zum Werk „Uisge Beatha“ für Kontrabassklarinette. In den fünf von acht dargebotenen Teilen stellte Heinz-Peter Linshalm die in Musik gefassten unterschiedlichen Geschmackszuschreibungen von Whisky virtuos in den Raum. Außergewöhnliche Spieltechniken setzte er mit meisterhafter Selbstverständlichkeit ein und zog damit die Zuhörenden in den Bann der Musik.
Aussagekräftig gestaltete das „Tiroler Ensemble für neue Musik“ unter der Leitung von Venelin Filipov Petra Stump-Linshalms „Fantasy Studies“. In den fünf ausgewählten Abschnitten kamen die Klangfarbenspiele zwischen Flöte (Michael Cede), Klarinette (Stephan Moosmann), Bassklarinette (Christian Spitzenstätter), Violoncello (Lucia Tenan), Saxophon (Harald Ploner) und Blockflöte (Caroline Mayrhofer) gut zum Ausdruck. Die Wechsel zwischen aufeinander bezogenen Schallereignissen, Schattenwirkungen sowie sich aufschaukelnde Bewegungsverläufe, pendelnde Luftgeräusche und Beschleunigungsprozesse zeichneten die einzelnen Abschnitt aus und boten Anreize beim Hören.
Anregende Dialoge
Entspannung ermöglichten die acht ansprechenden Einminutenstücke aus den „Thirteen Days in November“ für Akkordeon und Gitarre von Ralph Schutti. Hanno Winder (Gitarre) und Harald Pröckl (Akkordeon) musizierten in einem schönen Dialog miteinander. Sie tarierten beispielsweise im zweiten Stück den Klangfluss hervorragend aus, brachten sodann die Anklänge an Piazzolla zur Geltung, betonten den atmenden Duktus in der vierten Hörminute und zeichneten impressionistische Stimmungsbilder nach.
Subtile harmonische Farben
Enorme Anforderungen an die Musikerinnen und Musiker stellte Vivian Domenjoz mit seinem komplex angelegten Sextett „Hic sunt leones“, das im Rahmen des Schallwende-Festivals uraufgeführt wurde. Dicht gesetzt erklangen die drei Hauptteile, in denen die Motive unter anderem polyphon verwoben und die rhythmische Formel lang-kurz-kurz kunstvoll ineinander verschachtelt wurden. Der Clou des Werkes bestand in der spektralen Harmonik. Die aus den Obertonspektren herausgefilterten Tonhöhen und -qualitäten waren das Ausgangsmaterial für farbenreiche und vielgestaltige Klangkonstellationen. Um die Gitarre jeweils umzustimmen, schaltete Vivian Domenjoz sogenannte „Interludien“ dazwischen. Dieser Kunstgriff machte zwar unterschiedliche Skordaturen der Gitarre und somit für jeden Teil veränderte harmonische Grundstimmungen möglich, unterbrach aber die Konzentration auf die dicht gesetzten Hauptteile empfindlich. Ob es nicht der Musik dienlicher wäre, drei bereits vorbereite Instrumente zu verwenden, wäre ein lohnendes Experiment. Auf jeden Fall spitzte dieses Werk die Ohren und ermöglichte Hörerlebnisse, wie sie in Vorarlberg leider nur selten geboten werden.